Olafur Eliasson – Innen Stadt Außen | Martin Gropius Bau


Exkursion

Titel: Innen Stadt Außen
Ort: Martin-Gropius Bau Berlin
Zeitraum: 28.04 – 09.08.2010
Thema: Olafur Eliasson
Objekte: 19 (im musealen Kontext)
Zielgruppe: 10–50
Kurator: Martin Birnbaum

Katalog: Heimann und Schwantes, Berlin, Verlag der Buchhandlung Walther König

 

2. Analyse

Träger: Stadtmuseen (Im Zuge der Berliner Festspiele)
Kategorie: Kunstausstellungen
Ausstellungsraum: Innenraum (vereinzelt Bezug zum Außenraum)
Budget: L–XL
2.2 Präsentation

Aktuell Bezüge zu zeitgenössischem Denken
Kommunikativ Anregung zur Diskussion und Auseinandersetzung
Interaktiv Aufforderung zum Mitmachen / Dialog

2.3 Gestalterische Mittel

Objektpräsentation
Inszenierung
Raumstrukturierung
Form, Blickachsen, Perspektiven
Thematische Struktur chronologisch, thematisch, synchronoptisch, synergetisch, exemplarisch, pointiert

2.4 Technische Qualitäten

Elektriker, Elektroniker
Ausstellungsbau
Objekteinbringung / Exponatbefestigung
(Teils sehr aufwändige Installation von Exponaten)

Keine Exponatsbeschriftungen, lediglich mobile Infobroschüre fungierend als Raumplan und Exponatsverzeichnis.

3. Bewertung

3.1 Qualitäten

Anmutung, Ästhetik, Schönheit
Originalität, Attraktivität
Angemessenheit der Mittel
Logik der Zuordnungen


3.2 Fragenkatalog

Was ist der Anlass der Ausstellung?
Der Künstler Olafur Eliasson stellt mit dieser Werkschau eine erlebbare Verbindung zwischen dem urbanen Lebensraum und dem Museum selbst her, womit er zugleich sein eigenes Verhältnis zur Stadt dokumentiert, wo parallel zur Ausstellung einzelne (z.T. mobile) Exponate in verschiedensten Bezirken verteilt sind, welche die Installationen erweitern und mit ihnen verknüpft sind.

Welche sind die Schlüsselobjekte / die 3 wichtigsten Exponate?

Mikroskop
Innen Stadt Außen (Filmdokument, mit Bezug zu dem erweiterten Raumeingriff im urbanen Umfeld)
Your blind movement

Werden diese angemessen präsentiert?
Wie ist die Wechselwirkung der Einzelteile zum Gesamten?

Es wirkt so, als ob die Auswahl und Entwicklung der Objekte dezitiert für die jeweilige, räumliche Situation erfolgte.
Diese Vorgehensweise unterstreicht auch die Haltung des Kurators Daniel Birnbaum, welcher die Herangehensweise im Rahme dieser Ausstellung als „Das Museum als Produktionsort“ deklariert.

Welche atmosphärische Stimmung entsteht?

Eine sich stetig-verdichtende Stimmung, Teil einer fragilen, in sich gefassten Raumsituation zu sein, die dennoch durch der Besucher durch seine eigene Anwesenheit beeinflussen kann.

Was sind die Kernaussagen, welche Erkenntnisse können gewonnen werden?

Das „Innere“ in der Wechselwirkung mit dem „Äußeren“ und umgekehrt…

Lohnt sich ein zweiter Besuch?
Durchaus, da sich die Eindrücke des städtischem Umfeldes und Eliassons Eingriffe darin als zusätzliche Komponente zum musealen Raumbegriff hinzufügen.

Bericht:

»Innen Stadt Außen« betitelt die ersten Einzelausstellung des isländisch-stämmigen, dänischen Künstlers Olafur Eliasson in einer Berliner Kulturinstitution im Sommer 2010.

Thematischer Ausgangspunkt der Ausstellung ist Eliassons Beziehung zu Berlin, wo er lebt und arbeitet. Im Zentrum seiner Arbeit steht dabei das Verhältnis von Museum und Stadt, Architektur und Landschaft, sowie von Raum, Körper und Zeit. Die Rekonstruktion von Urbanität im Sinne von installativen Raumexperimenten bilden die Schnittstelle zwischen dem Innen und dem Außen, dessen Wahrnehmung und Interpretation der Künstler auf objektive und metaphysische Sicht einer Hinterfragung unterzieht. Charakteristisch hierbei die oftmalige Verwendung elementarer Substanzen, ihre Materialität und im Besonderen deren indexikalische Ausformungen wie zBs. Lichtreflexionen und Spiegelungen. Vor allem letzterer Aspekt gilt als Leitmedium welche sich in sehr vielen der Exponate der Ausstellung wiederfindet.

Die Ausstellungsfläche erstreckt sich über das gesamte Erdgeschoß des Berliner Martin-Gropius-Baus wobei in der Bespielung der knapp 22 Räume, welche oftmals nicht mehr als 1–2 Exponate beinhalten, bewusst auf Überfrachtung verzichtet wurde. Dieser minimalistische Aufgriff von Ausstellungsraum räumt den gezeigten Werken größtmögliche Ausdrucksfläche und eine spürbar-ortsgebundene Intimität ein. Der zentrale Aspekt der Ausstellung liegt in der unmittelbaren räumlichen Situation mit welcher Eliasson dezitiert arbeitet und die – laut Kurator Daniel Birnbaum – »Das Museum als Produktionsort« mit einbeziehen soll. Die unmittelbare, fast symbiotische Koexistenz von Objekt und Ausstellungsraum erscheint als oberstes Gebot.

Diese Unmittelbarkeit wird auch in der Detailgestaltung ersichtlich. Der vollständige Verzicht auf örtliche Exponatsbeschriftung –  lediglich eine Faltbroschüre welche als Orientierungsplan und Werkverzeichnis dient – lässt die Objekte gleich anonymen Artefakte in der Ausstellung zurück und vermitteln so dem Besucher nicht das Gefühl ein stummer Betrachter, sondern selbst durch seine Anwesenheit Teilnehmer an der Gesamtheit des Werkes zu sein. Es ist nicht einfach über die Ausstellungssituation an sich zu sprechen, ohne in eine Werksbeschreibung abzugleiten, da bei »Innen Stadt Außen« der Raum und die darin beherbergten Objekte eine kohärente Beziehung eingehen. Dies sei der Versuch einer Annäherung.

Beginnend mit oder besser AUF einem Werk namens »Berliner Bürgersteig«, bestehend aus einer 27m² großen Wegfläche aus massiven Granitplatten, geht es in den darauf folgenden Räumen um optische Phänomene. Ein wandfüllender Zerrspiegel (»Mercury window«, 2010) sowie eine Reihe von Lichtprojektionen (»Your uncertain shadow«, 2010), welche die Schatten der davor spazierenden Besucher in einzelne Farbfrequenzen bricht, laden zur spielerischen und interaktiven Erkundung der örtlichen Raumgegebenheiten ein.

Es folgt ein Raum in welchem auf einen Tisch diverse architektonisch anmutende Strukturgebilde versammelt wurden. Teilweise sind diese mit einfacher Bewegungsmotorik und kleinen Projektionen animiert. Daran angeschlossen, u.a. eine mit Sitzmöglichkeiten ausgestattete Leinwandprojektion von Eiliassons Eingriffen im innerstädtischen Raum. (»Innen Stadt Außen«, 2010).

Das erste Highlight der Ausstellung – und damit unweigerlich das opulente Hauptexponat –  findet sich im Lichthof des Martin-Gropius Baus wieder, wobei »Lichthof« in diesem Falle auch wörtlich verstanden werden kann, nämlich als überdimensionale, auf Baugerüsten montierte Spiegelfolieninstallation (»Mikroskop«, 2010) welche durch die Öffnung nach oben hin das Berliner Tageslicht reflektiert und  durch die Spiegelung an den Wänden eine schier unendliche Raumdoppelung offenlegt. Das ambivalente Verhältnis und der diskursive Standpunkt des vom-Außen-nach-Innen-Gekehrten, verdeutlicht hierbei deutlich den Titel der Ausstellung »Innen Stadt Außen«.

Nach durchschreiten der Lichthofinstallation folgt ein kleiner, länglicher Raum, der mit zwei amorphen Leuchtkörpern ausgestattet ist (»Yellow to purple activity spehre, New Berlin Sphere, beide 2009).

Gleich im Anschluss daran teilt eine rund 6mx10m große sonnengelbte Folienwand (»Suney«, 1995) den Raum, wobei sich jeweils von einer Raumhälfte aus gesehen, der Raumeindruck der gegenüberliegenden Seite verändert. Dieser Eingriff in die bestehende, räumliche Struktur veranlasst den Besucher immer wieder den kleinen Raum zuvor durchqueren zu müssen.

Die linke Hälfte des Raumes bietet noch einige sehr effektvolle Arbeiten, welche sich mit Lichtbrechung (»Round Rainbow«, 2010) sowie eines separaten abgedunkelten Raumes der nur in etwa halbsekündigen Abständen den Raum mittels stakkatoartigen Stroboskopblitzen erhellt wird.

Bei »Water pendulum« (2010) wurde im Raum ein flexibler Schlauch installiert, der durch den Wasserdruck in Schwingung versetzt und durch die partielle Blitzeinstrahlung zu ständig verändernden, optischen Standbildern fixiert wird.

Hier verdichten sich neben der sichtbaren vor allem auch die akustische (der Aufprall des Wassers und der Blendenverschluss des Stroboskops) und – bei unvorsichtiger Näherung – (sehr zur Belustigung der jüngeren Besucher) auch die spürbare Komponente zu einem seltsam-bedrohlichen jedoch gleichsam meditativen Raumgefühl.

Zurück in dem, durch die Folie getrennten Raum, werden einem eine Fenstersituation auf der linken Seite bemerkbar, welche – im Abstand von einigen Metern – die natürliche, architektonische Außenfassade des Martin-Gropius-Baus zeigt. Eliasson greift hier, auf äusserst subtile Art und Weise, mit dem bereits zitierten Mittel der Reflektion ein, indem er auf die Fensterscheiben der – vom irritierten Betrachter aus – gegenüberliegenden Gebäudeseite, Spiegelfolien anbringt (»The curious museum«, 2010).

Vorbei an einer skulpturalen Arbeit, welche die Nische des vorletzten Ausstellungssegmentes besetzt (»Twilight stars«, 2010) führt eine Tür zur letzten und mitunter eindrucksvollsten Arbeit Olafur Eliassons, der sektionsübergreifenden Installation »Your blind movement« (2010).

Der Besucher findet sich in drei aufeinander folgenden Räumen wieder, welche mittels Nebelmaschinen in äußerst dichten Nebeldampf gehüllt und mit farbigen, an der niedrigen Decke montierten Neonröhren abschnittsweise verschiedenfärbig illuminiert werden. Der Eindruck von Orientierungslosigkeit lässt den Besucher hier bewusst als Teilnehmer spielerisch-instinktiv agieren und die farbigen Sektionen als eigene, räumliche Sphären im Raum wahrnehmen. Damit legt sich nach dem Öffnen der Austrittsschneise eine mögliche Deutung für Olafur Eliassons Arbeits- und auch Ausstellungskonzept offen:

Die Ausstellung möchte die Grenzen des Räumlichen auflösen, den Außenraum nach Innen verlegen und umgekehrt. Raum wird nicht als fixe Konstante verstanden, sondern als modulares Konstrukt verschiedenster Bedingungen, dessen Eindruck sich grundlegend von unserer persönlichen Auseinandersetzung und der daraus resultierenden Wahrnehmung nährt.

Verlässt man den Martin-Gropius Bau, wird einem der, an einer Fensterstelle aufsteigende Nebeldampf von drinnen der sich draussen scheinbar in Luft auflöst, wieder ins Bewusstsein gerufen. Vielleicht ein Zitat auf die assoziativ-auftauchende Frage: »Was ist drinnen und was ist draußen«?!