Brassaï Brassaï – Im Atelier und auf der Straße | Museum Berggruen

Exkursion

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anonymes "Kratzbild"


Titel:

BRASSAI BRASSAI, im Atelier und auf der Straße

Ort:
Museum Berggruen (mit Picasso, Matisse, Giacometti, Laurens und Braque), Sammlung Scharf-Gerstenberg (mit Jean Dubuffet und anonymen Kratzbildern)

Zeitraum:
27. Mai – 28. August 2011

Thema:
Fotografien von Künstlern in ihren Ateliers werden direkt neben den Originalwerken der Künstler gezeigt

Brassai_Picasso_Jeanmarrais_1944

Ziel / Schwerpunkt:
Eindringlicheren Eindruck zum Ursprung der Kunstwerke erzeugen

Objekte:
Forografien, Gemälde, Skulpturen, Filme

Zielgruppe:
Museum Berggruen: eher konzentriertere Besucher, die Einblick in Welten von z.B. Picasso erleben möchten
Sammlung Scherf-Gerstenberg: frischere, merkwürdig moderne Werke, die für jeden im Spektrum Street-Art bis Art-Brut absolut interessant sind

Kuratoren:
Nationalgalerie der staatlichen Museen zu Berlin

Medien:
Katalog: 33€

Träger:
Nationalgalerie der staatlichen Museen zu Berlin, Berggruen

Kategorie:
(Kunstausstellungen) Fotografie im direkten Kontext mit Gemälden und Skulpturen

Ausstellungsraum:
Innenraum, stationär

Zeitraum:
Wechselausstellung

Budget:
Berggruen: S bis M
Sammlung Scharf-Gerstenberg: XL

 

Präsentation

(Museum Berggruen): Das Museum Berggruen präsentiert sich in verschiedenen, durch offene Türen verbundene Räume im Stil von Kabinett-Zimmern. Man erlangt das Gefühl, durch eine herrschaftliche, ausgeräumte Wohnung zu schreiten, die sich zur Präsentation von Kunst frei gemacht hat. Alles findet auf 3 Ebenen statt.

(Sammlung Scharf-Gerstenberg): Alles neu. Foyer: hell, offen. Ausstellungsraum: hallenartig

 

Gestalterische Mittel / Technische Qualitäten

(Museum Berggruen): Der gesamte Boden ist mit Nußbaumpartkett ausgelegt, die Wände sind in einem abgetönten Weißton gehalten. Flächige Standardjalousien in hellem Grau verdunkeln die Fenster. Die Räume wirken aufgrund der etwas kargen Beleuchtung recht flach und gedrungen, fast etwas von Bildern überladen. Sich recht hoch entwickelnde Parkettabschlussleisten im Farbton der Wand tragen hierzu bei. Weiterhin erhalten die ausgestellten Stücke teilweise zu wenig Licht, was einen etwas ermüden lässt.
Direkt beim Eintritt in den ersten Raum steht man vor der Einleitungstafel. Diese Texttafel reicht fast bis unter die Decke und passt proportional überhaupt nicht zum Raum, wirkt überdimensional, macht ihn klein. Das helle weiß beißt sich mit dem abgetönten weiß der Wände.
Die Bilderrahmen der Brassai Brassai Fotografien sind schlicht und in dunklem, lackiertem Holz gehalten. Leider ist fast immer der silberne Aufhängungsbeschlag sichtbar, steht oben über. Auch bei den alten Rahmen der Kunstwerke gab man sich keine Mühe, die groben Haken und Aufhängungen zu verbergen. Insgesamt wirkt dies eher improvisiert. Die Bildbeschriftungen sind kleine Kärtchen, die hinter einer Acryglasscheibe stecken. Diese ist mit billig wirkenden Nägeln an die Wand gebracht. Für Brassai Brassai sind die Kärtchen in marineblau, für die anderen Künstler in weiß gehalten.

Vitrinen: Es gibt nebst den Bildern und Gemälden, die an die Wand gehängt sind, zusätzliche Vitrinen- und Podestmodule zur Ausstellung von Skulpturen und Objekten.
-Variante 1: weiß lasiertes (Maserung scheint durch) fliegendes Brett, unsichtbare Befestigung, ca 5cm stark, an die Vorderkante gerückter Glaskubus aufgesetzt, zwischen Glaskubus und Wand ergibt sich ein stilistischer Zwischenraum, Glaskubus ist unsichtbar im Brett gegen Öffnen gesichert
-Variante2: 90° Winkel aus gleichem ca. 5cm starken weiß lasiertem Material ist an die Wand gelehnt und unsichtbar befestigt, ca. 50cm breit
-Variante3: (Kombination aus Var. 1 und 2) Winkel ist mit Glaskubus besetzt
-Variante4: Podest mit aufgeseztem kleineren Podest in weiß lasiertem Holz
-Variante5: Hochtisch in weiß lasiertem Holz
-Variante6: Ein Kranich wird auf einem kopfhohen, fliegenden Brett präsentiert

Sehr schön ist ein alter, gusseisener Schinkel-Stuhl, der in mehreren Räumen im ganzen Haus auftaucht und somit eine Linie bildet.

Die standard Fluchtweg-Piktogramme sind etwas penetrant und unbedacht angebracht, stören das Gesamtbild mancher Räume

(Sammlung Scharf-Gerstenberg): 5 Meter hohe Glastüren öffnen sich beim Anstoßen automatisch zu ende und geben den Weg in das Foyer frei. Riesige Glasflächen und lassen viel licht in die hallenartig wirkende Raumstruktur. Wunderschön gebaute Nußbaumtresen- und Tische zeigen aufgrund ihrer geschlossenen Voluminitäten viel Holz und lassen den Raum behaglich wirken. von hier gelangt man in den eigentlichen Ausstellungsraum. Abgedunkeltes Licht. Man schreitet durch eine römische Säulenornung (vermutlich zu schwer bewegbares Überbleibsel vorangegangener Ausstellungen) in eine hohe, dunkel gehaltene Halle. Diese ist durch hohe, marineblaue, kubusartig gebaute, freistehende Wandelemente dominiert. Diese dienen als zusätliche Ausstellungsflächen für die Bilder und Fotografien. Beleuhtung erfolgt ausschließlich auf die aushängenden Bilder.
Der Raum entfaltet eine freie, ungestörte Wirkung, man bewegt sich leicht durch die Ausstellung. Die Bilder sind teilweise etwas schwach beleuchtet. Ein genauso hoher, separater Kinoraum mit weiteren römischen Säulenüberbleibseln führt experimentelle Filme der Art Brut vor. Freistehende Bestuhlung. Man schreitet über eine Treppe direkt in den offenen Raum hinab.

 

Bewertung / Qualitäten

(Berggruen-Museum): Das Berggruen-Museum kommt leider etwas muffig daher. Es ist alles etwas zu wohnungsartig inszeniert, man vermisst die fokussierten ausstellungsunterstützenden Fixpunkte wie genügend Licht am rechten Fleck und zurückgenommene, bzw. unterstützende Farbgebungen. Die Räume wirken hierdurch gedrungen und klein. Die Jalousien wirken unprofessionell. Aufhängungen und Beschilderungen unterstützen den etwasfuschigen Gesamteindruck. Man könnte auch denken, dass die Ausstellungsgestaltung nicht zu viel kosten durfte. Wenn dann mit wenig Mitteln ein annehmbarer Eindruck generiert werden sollte, so kann man dies aber durchaus als gelungen bezeichnen.

(Sammlung Scharf-Gerstenberg): Im Gegensatz dazu ist die Sammlung Scharf-Gerstenberg als high-end Gestaltung zu betrachten. Es scheint fast, als wäre alles an Gestaltungswut- Mitteln- und Möglichkeiten aus dem
Berggruen, über die Schloßstraße in die Sammlung Scharf-Gerstenberg geflossen. Extrem schöne räumliche Strukturen mit Fokus bis ins Detail Materialwahl und Formen erzeugen einen “Ah-ha-Effekt” beim Besucher. Die alte Fassade wurde in den Innenraum integriert. Wintergartenartig werden Fassadenteile in den Foyerraum eingeschlossen.
Ich persönlich störe mich ein wenig am marineblau der Wandelemente in der eigentlichen Ausstellungshalle, kann aber aufgrund der Gesamtqualität problemlos darüber hinwegsehen. Ein wirklich sehr schönes Haus.

 

Fragenkatalog

Was ist der Anlass der Ausstellung?

Die erstmalige Zusammenführung der Fotografien Brassais mit den Werken seiner Künstlerfreunde.

Wie ist die Wechselwirkung der Einzelteile zum Gesamten?

(Berggruen-Museum): zu eng, zu gedrungen
(Sammlung Scharf-Gerstenberg): angemessene Abstände lassen einen sehr guten Lauf- und Sehfluss zu. Dynamisch und unaufdringlich

Welche Rolle spielen die Objekte?

(Berggruen-Museum): Raum drängt sich mit negativen Faktoren in den Vordergrund
(Sammlung Scharf-Gerstenberg): Raum nimmt sich komplett zurück, Werke stehen im Vordergrund

Was sind die Kernaussagen, welche Erkenntnisse können gewonnen werden?
Brassais Fotografien kommunizieren auf intensive Art und Weise die Orte, die Athmosphären, in denen die neben ihnen aufgehangenen Werke der Künstler entstanden sind. Es entsteht eine sonderbare Energie, da die mit Pinsel auf die Leinwand gebrachten Gemälde oder die aus Stein und Lehm erzeugten Skulpturen in direktem Kontakt mit einer so eideutigen Illustration wie einem Foto stehen. Das ist wie Realität und dazu das, was jemand in dieser Realität wahrnahm und auf Leinwand brachte. Die Gemälde und Objekte stellen sich intensiver für mich da, als ich sie bisher in anderen Ausstellungen wahrnahm. Persönlicher. Erfahrbarer. Die Kombination funktioniert perfekt, während sich Brassias Fotografien aufgrund der Unterschiedlichkeit der Darstellungstechnik auf keine Weise in den Vordergrund drängen. Alles harmoniert und unterstützt, intensiviert sich gegenseitig.

Lohnt sich ein zweiter Besuch?
Definitiv! Wobei ich bei Zeitmangel eher die Sammlung Scharf-Gerstenberg ans Herz legen möchte. Die alten Werke erlangen deratig modernen Charackter, dass man sie genau jetzt sehen muss. Sollte.

Brassai Brassai