dOKUMENTA 13

Exkursion 

Allgemeine Information

Ausstellung: dOCUMENTA 13 // d13.documenta.de

Orte: Kassel, Kabul, Alexandria/Kairo, Banff

Hauptorte in Kassel:
Fridericianum, Ottoneum, Documenta-Halle, Neue Galerie, Hauptbahnhof, Orangerie, Karlsaue

Zeitraum:
9/6 – 16/9 2012

Thema:
»Collapse and Recovery«

Künstlerische Leitung:
Carolyn Christov-Bakargiev

Zielgruppe:
Kunstinterssierte und Künstler aus aller Welt

 

Analyse

»Die documenta«
Alle fünf Jahre pilgert die internationale Kunstszene nach Kassel, dort findet für 100 Tage eine der weltweit bedeutendsten Ausstellungen für zeitgenössische Kunst – die documenta – statt. Die erste documenta wurde 1955 vom Künstler und Kunstpädagogen Arnold Bode anlässlich der Bundesgartenschau in Kassel ins Leben gerufen und zog damals an die 130000 Besucher an.

2012 findet die Weltausstellung zum 13. Mal statt und es werden mit 750000 Besuchern gerechnet. Der Etat beträgt 24,6 Mio Euro, davon finanziert der Bund über die Kulturstiftung 3,5 Mio Euro, das Land Hessen und die Stadt Kassel fördern die Ausstellung mit jeweils 4,4 Mio Euro. Künstlerische Leiterin ist die US-amerikanisch-italiensiche Kunsthistorikerin und Kuratorin Carolyn Christov-Bakargiev.

Die documenta zeigt etablierte und weniger etablierte Künstler. Ein großer Teil der Werke wird eigens für die documenta konzipiert. Neben Skulptur, Malerei, Fotografie, Film, Performance und Installation gibt es auf der d13 auch Experimente auf dem Gebiet der Kunst, Politik, Literatur, Philosophie und Wissenschaft. Insgesamt sind Künstler aus über 50 Ländern der ganzen Welt vertreten.

Die Ausstellungsorte verteilen sich in Kassel über die gesamte Stadt, Hauptorte sind das traditionelle Fridericianum, die documenta-Halle, die Neue Galerie, die Orangerie und der Karlsaue-Park. Insgesamt gibt es rund 40 Ausstellungsorte, dazu gehören auch zum ersten mal Orte im Ausland (Kabul, Kairo und Kanada) dazu. Die gesamte Ausstellungsfläche in Kassel (inklusive Außenflächen) beträgt rund 1,5 Quadratkilometer.

 

Fridericianum
Seit der ersten dokumenta 1955 ist das Fridericianum das Herzstück der Weltkunstausstellung. Hier beginnt für viele Besucher ihre erwartungsvolle Entdeckungsreise in die Welt des “Noch-Nicht-Gesehenen”. Doch der Auftakt der d13 ist leise und weht durch die Leere der Vorhalle. Ist das schon Kunst oder ist ein Fenster offen? Der britische Künstler Ryan Gander ließ im Hinterhof des Museums große Gebläse installieren um diese leichte Brise, dieses unsichtbare Kunstwerk zu inszenieren. Wie ein Mantra singt eine sanfte Frauenstimme “I’ll just keep on / till I get it right” ununterbrochen in einer Endlosschleife. Die Künstlerin Deal Floyer kommentiert mit ihrer Soundinstallation das vergebliche Bemühen (der Kunst) nach vollendeter Perfektion. Der Wind, der einem durch die Haare weht, der sirenenartige Gesang, die fast leere Eingangshalle; ein leiser Einstieg, doch um so gespannter ist man auf den ersten fulminanten Höhepunkt. Doch die Erwartungen laufen ins Leere. Kein Paukenschlag, es plätschert nur so dahin.  Die documenta 13 möchte mit der Ausstellung die Grenzen der Kunst sprengen, so wurde auch der Quantenphysiker Anton Zeilinger dazu eingeladen seine Experimentieraufbauten zur Quantenverschränkung auszustellen. Beim Besucher sicherlich ein Moment der Irritation zwischen den Kunstexponaten irgendwelche Versuchsaufbauten, die mehr an Jugend forscht erinnern als an eine Kunstausstellung, zu entdecken. Mit den Besuchermassen quetscht man sich durch die Ausstellungsräume und mit jedem Raum verfliegt die Euphorie. Irgendwie hätte man sich mehr erwartet, zu museal die Inszenierung, die Exponate zu unspektakulär.


 

Documenta-Halle
Als zusätzlicher Veranstaltungsort wurde die Documenta-Halle 1992 für die DOCUMENTA IX erbaut und gehört seitdem zu den Hauptausstellungsorten. Die Halle ist eine klassische Ausstellungshalle mit einer großen Haupthalle und mehreren Nebenräumen. Ausstellungsvitrinen, die mit “Teppichen” verhängt sind säumen den Eingangsbereich. Der Besucher findet unter den Stoffbahnen Arbeiten auf Papier des Künstler Gustav Metzger, die aus konservatorischer Notwendigkeit vor dauerhaften Lichteinfluss geschützt werden müssen. Doch ist diese Form der Präsentation nicht ideal, jede Stoffbahn verhängt eineinhalb Bilder und um die Arbeiten ganz sehen zu können muss man umständlich die zwei aufeinander folgenden Stoffbahnen aufdecken. Auch wirken die Stoffe nach nicht einmal drei Wochen Ausstellung teilweise schon abgegriffen.

Am Ende des Erdgeschosses genießt man den großartigen Ausblick in die große Ausstellungshalle im Keller. Die fast rechteckige Form des Raumes wird durch eine schräge Stellwand, an der die Collage “Flugzeug” von Thomas Bayrle hängt, gebrochen und verleiht dem Raum eine neue Dynamik. Der gesamte Raum wird mit Werken von Bayrle bespielt, wie zum Beispiel einer riesigen Wandkartonarbeit oder betenden Automotoren. Die Ästhetik des Maschinellen wird in dem riesigen, lichten Raum großartig inszeniert und wirkt durch die Größe der Arbeiten sowie durch den Lärm der Motoren auf den Besucher beeindruckend.





 

Hauptbahnhof – stillgelegte Gleise
Neben den Hauptstandorten bespielt die documenta die unterschiedlichsten Räume und Plätze in Kassel. Auf den stillgelegten Gleisen des Hauptbahnhofes inszeniert die Klangkünstlerin Susan Philips die “Studie für Streichorchester” des tschechischen Komponisten Pavel Haas, der 1944 in Auschwitz ermodert wurde. Über sieben Lautsprecher der Gleisanlage ertönen bruchstückartig die Streicherpassagen. Die Töne der Violinen und Celli vermengen sich mit Vogelgezwitscher und dem Quietschen und Rauschen der ein- und ausfahrenden Zügen. Ein intimer, erschütternder Moment, in dem man das Gefühl hat die Schwere der Vergangenheit dieses Ortes zu spüren. In den Jahren 1941 bis 1942 wurden vom Hauptbahnhof jüdische Familien in Konzentrationslager, darunter auch Theresienstadt und Auschwitz, deportiert. Die Installation ist leicht zu übersehen lediglich ein kleines Schild weist auf die halbstündig stattfindenden Aufführungen hin. Die Installation kommt leise und reduziert, dafür aber mit einer überwältigenden Ausdruckskraft und hinterlässt ganz abseits der Besuchermengen ein bleibenden Eindruck.


Fazit
Die documnta 13 bietet einige Höhen und beeindruckende Arbeiten insgesamt verlässt man aber die Ausstellung, vor allem nach dem Besuch der traditionellen Ausstellungsorten, mit dem Gefühl etwas anderes erwartet zu haben. Trotzdem lohnt sich ein zweiter oder dritter Besuch um dann die versteckten Höhepunkte zu entdecken.

 

Text und Fotos: Joanna Maria Dauner