Sammlung Boros

Exkursion

Die Boros Collection ist eine Privatsammlung zeitgenössischer Kunst des Kunstsammlers sowie Medienunternehmers Christian Boros und befindet sich in dem ehemaligen Reichsbahnbunker Friedrichstraße. Dieser wurde während des Nationalsozialismus 1943 in der Reinhardtstraße in Berlin Mitte errichtet.

Der Bunker wurde als Schutz im zweiten Weltkrieg für 1200 Menschen konzipiert, und wurde sehr bald auf die Zahl von 4000 nach oben korrigiert. Nach Kriegsende wurde das Gebäude zunächst von den Alliierten als Gefängnis und Raum zum verhören deutscher Funktionäre genutzt.

In den Jahren danach diente es als Textillager, Lagerraum für Trockenfrüchte aus Kuba und wurde 1992 zum Techno Club umfunktioniert. Dieser wurde 1996 geschlossen und der gesamte Bunker 2003 von Christian Boros erworben, welcher den Bunker zu Ausstellungsräumen umfunktionierte und sich auf dem Dach ein Penthouse errichtete. Offiziell wird der Bau heute als Wohnung mit Kellerbau bezeichnet.

Für die Sammlung Boros wurde die Anzahl der Räume von 120 auf 80 verringert, die Decken teils erhöht und die Wände größtenteils unbearbeitet gelassen, welche interessante Spuren der verschiedensten Verwendungsweisen des Bunkers von der Vergangenheit bis heute aufweisen.

In einer Führung mit Elena Liebenstein konnten circa 100 Werke betrachtet werden, auf sieben Stück werde ich nun genauer eingehen.

Als eines der ersten Arbeiten haben wir uns den Fotografen Thomas Ruff angeschaut, welcher in den frühen 90er Jahren durch seine Porträtfotografie bekannt wurde.

Im Boros Bunker jedoch werden Bilder aus seiner Arbeit „Sterne“ gezeigt, die durch sein Interesse an Astronomie entstanden und eine Schnittstelle der Fotografie zur Wissenschaft darstellten.
Ruff erzeugte keine eigenen Bilder von Sternen, sondern bediente sich an Schwarz-Weiss Negativen des European Star Observatory (ESO), welche Aufnahmen aus der Atacama Wüste in Chile zeigen. Aus vielen verschiedenen Abbildung die ihm zur Verfügung standen, wählte Ruff mit visuellen und ästhetischen Kriterien Negative aus, die er anschließend auf Farbiges Fotopapier vergrößerte. Dadurch kann es zu leichten Verfärbungen innerhalb der Drucke kommen, welche die Tiefenwirkung verstärken. Visuell verstärkend wirken die wissenschaftlichen Aufnahmen zudem durch die strenge Rahmung und hochformatige Hängung. Die Titel wiederum verweisen stark auf das wissenschaftliche der Arbeiten zurück und so heißen diese zum Beispiel, 13.18 Uhr 60° oder 05.08 Uhr 65°, welche Zeit und Raum markieren.

Als nächste Arbeit wurde uns eine Klanginstallation der Künstlerin Alicja Kwade gezeigt, welche sich akustisch durch das komplette Erdgeschoss zieht. Alicja Kwade ist eine der jüngeren Künstler der Sammlung Boros, wurde 1979 in Polen geboren, wohnt seit längerem in Berlin und gilt als wichtiger Nachwuchs ihrer Generation.

In ihren Arbeiten schafft sie es mit recht einfachen Mitteln unserer Realitätswahrnehmung wirkungsvoll zu irritieren. In der vorstellten Arbeit “Der Tag ohne Gestern” von 2009 hat sie ausschließlich das summende Geräusch Neonleuchtröhren eingefangen, welches durch elf Knopfmikrofone abgenommen wird, verstärkt aus diversen Boxen erklingt und anhand gebogener, schwarz lackierter Stahlstrukturen als gleichmäßiger Sound im Raum verteilt wird.

Eine weitere Arbeit von Alicja Kwade wurde uns vorgestellt, die den Namen “Unter anderer Bedingung” trägt und ist von 2009 ist. Erneut wird mit unserer Wahrnehmung gespielt, welche sich diesmal einer Materialverwirrung zuordnen lassen könnte.

Wenn man sich das zersplitterte Material ansieht, fragt man sich Aufgrund der Struktur und Brechung, um welches Material es sich handeln könnte. Die Arbeit stellt eine Imitation einer zerbrochenen Glasscheibe dar. Im Ursprung warf Kwade einen Stein auf Glas, welches das Zerspringen zur Folge hatte. Die daraus entstehende Struktur hat sie im Nachhinein eins zu eins aus Stahl nachschneiden lassen. Im Bezug auf den Bunker auch interessant, da sich der Stahl hier wie Glass verhält und sehr fragil inmitten der dicken Betonwände erscheint.

Das dritte vorgestellte Werk von Alicja Kwade ist methodisch dem “Tag ohne gestern” ähnlich. Der Titel ist “Singularität” und ist ebenfalls von 2009. Erneut wird ein Geräusch akustisch verstärkt, diesmal die verstreichende Zeit, die von einer großen Wanduhr stammt die an der Wand befestigt ist. Das Zifferblatt ist nicht sichtbar, die Uhr verspiegelt und der Sekundenzeiger wird durch vier Mikrofone aufgenommen und kommt verstärkt aus vier Boxen die auf dem Boden stehen heraus. Dies erinnert an das fortwährende Verstreichen der Zeit und ist durch einen großen Teil des Gebäudes zu hören, was der Atmosphäreinen gewissen Rhythmus und Puls verleiht.

Die Boros Sammlung besteht aus über vierzig Arbeiten von dem Fotografen Wolfgang Tillmans, welche aus den 90er Jahren stammen. Ein bekanntes Werk Tillmans, welches Boros sehr inspirierte trägt den Namen “Supermarket”. Es zu seiner Zeit eine vielbeachtete und neuartige Sprache in den Fotografie Diskurs eingebracht hat, indem es die Jugendkultur der 90er Jahre widerspiegelt. Eine Anlehnung an die Popart ist deutlich sichtbar, durch bekannte Verpackungen wie zum Beispiel die von “Sunil”. Das Foto ist komplett durchgeplant und nicht mehr oder weniger zufällig entstanden wie man vielleicht meinen könnte, was die deutlich gerichteten Blicke und Positionen der abgebildeten Personen zu erkennen lassen. Es besitzt eine Snapshot-Ästhetik und zeigt Freunde von ihm, während seiner Zeit als DJ in London.

Dieses Bild trägt den Titel “Lutz und Alex sitting in the trees” und war ursprünglich für den Titel des britischen Modemagazines i-D gedacht. Dies war 1994 noch mehr als heute eine Provokation, anstatt Mode und Kleidung die Models in natürlicher Nacktheit darzustellen. Typisch für Tillmans Ästhetik wird hier keine sexualisierte, pornografische Nacktheit gezeigt, sondern eher eine naturalistische Art und Weise dargestellt. Das zweite Bild stammt aus der selben Serie, diesmal mit etwas Bekleidung, wobei Tillmans hier mit seiner Herangehensweise mit den Geschlechterrollen spielt.

Die Installation des britischen Künstlers Cerith Wyn Evans ist eine Säule aus Licht, die aus 64 stark leuchtenden Neonröhren besteht, welches das menschliche Auge derart blendet und so eher schwer zu erfassen ist. Man möchte an der Arbeit vorbei schauen als direkt hinein, was den Fokus auf den umliegend Raum lenkt und andere Besucher die sich im Bunker befinden. Die Arbeit hat keinen Titel, ist von 2008 und wird je nach Ausstellung der Höhe des Raumes angepasst. Sie erinnert an den antiken Tempelbau durch die Säulenform mit den zugehörigen Einschnitten zwischendurch, wobei die Installation keinerlei stützende Funktion besitzt.

Text
Julian Glock

Bilder
http://www.sammlung-boros.de