David Chipperfield – Sticks and Stones

Exkursion

1.Allgemeine Informationen

Titel David Chipperfield – Sticks and Stones, eine Intervention
Web http://www.davidchipperfieldinberlin.de/
Ort Neue Nationalgalerie, Potsdamer Straße 50, 10785 Berlin
Zeitraum 02.10.2014 – 31.01.2014
Thema Auseinandersetzung mit der bestehenden Architektur (Ludwig Mies van der Rohe) der Neuen Nationalgalerie sowie ein Prolog auf die bevorstehende Sanierung des Museums (durch David Chipperfield Architects)
Ziel Chipperfield verweist durch seine Installation mit 144 Bäumen auf Grundelemente der Architektur: Die Stütze und der Stein. Hieraus lautet sich auch der Titel der Ausstellung ab, welcher aus einem englischen Kinderreim stammt. Der Besucher soll ein neues Raumerlebnis entdecken und sich der Vergangenheit und Zukunft des Gebäudes bewusst werden.
Objekte 144 ca. 8m hohe Fichtenstämme, alle entrindet
Zielgruppe Insbesondere für Architekturinteressierte; jedoch durch seine Begehbarkeit eine beeindruckende Installation für Jedermann
Direktoren / Kuratoren Udo Kittelmann, Joachim Jäger, Uta Caspary
Architektur 1965-1968 durch Ludwig Mies van der Rohe erbaut
Ausstellungsgestaltung Team David Chipperfield Architects: Thomas Benk, Martin Reichert, Ute Zschamt
Grafik John Morgan studio, London
Aufbau Thomas Lucker, RAO
Bereitstellung der Fichten François von Chappuis, Forst Hohen-Niendorf


David Chipperfield und Udo Kittelmann

2. Analyse

2.1 Klassifikation
Träger Staatliche Museen zu Berlin
Kategorie Themenausstellung
Ausstellungsraum Innenraum, stationär
Zeitraum Wechselausstellung

2.2 Präsentation

Authentisch Gegenstände unverändert im Originalzustand (Baumstämme lediglich entrindet)
Aktuell Bezüge zu zeitgenössischem Denken
Kommunikativ Anregung zur Diskussion und Auseinandersetzung
Szenisch Inszenierung von Objekten und Räumen zu Gesamtbildern / Erlebnissen
Kontemplativ Räume zur beschaulichen Betrachtung und Ruhe


Installationsansicht 1

2.3 Gestalterische Mittel

Objektpräsentation Alle 144 Fichtenstämme sind in gleichmäßigen rechten Winkeln zueinander aufgestellt, auf dem Boden und an der Decke verankert.

Raumstrukturierung Durch ihre Anordnungen bilden sich nicht nur Geraden sondern auch Diagonalen im gesamten Ausstellungsraum. Neue Blickachsen ergeben sich. Gleichzeitig ergibt sich in der Mitte eine 200 Quadratmeter große „Lichtung“, als Freifläche für verschiedene, interdisziplinäre Veranstaltungen, die im Laufe der drei Monate stattfinden sollen.

Besuchermanagement Der Besucher kann sich frei bewegen und ist durch keinerlei Absperrung an der Durchquerung des Raumes gehindert. Führungen werden generell nur als Architekturführungen mit Verweis auf das denkmalgeschützte Gebäude und seiner Historie angeboten. Für Verständnisschwierigkeiten sorgt lediglich die Platzierung der Kasse – hierfür muss man ins untere Foyer, für Erstbesucher der Galerie meist erst nach der Ticketkontrolle durch Aufsichtskräfte ersichtlich.

Barrierefreiheit Man kann sich gut durch den Raum bewegen, sodass z.B. auch Rollstuhlfahrer problemlos die Ausstellung erkunden können.

Vermittlungskonzept Grundsätzlich sind nur am Eingang durch Klebefolien einige Grundinformationen gegeben, weitere Informationen können in einem kleinen faltbaren Flyer auf Deutsch und Engl

Lichtkonzept Parallel zu den Baumstämmen sind in der Decke runde Scheinwerfer angebracht, die bei Dunkelheit wie kleine Lichtspots den Raum gleichmäßig erhellen und dabei, durch das Schwarz der Decke, an Sterne erinnern. Die „Lichtung“ wurde mit jeweils zehn großen Scheinwerfern ausgestattet, welche ebenso an der Decke angebracht sind.


Installationsansicht bei Nacht 1


Installationsansicht bei Nacht 2

3. Bewertung

Mit dem Wissen, dass der Neuen Nationalgalerie nach fast 50 Jahren Ausstellungsgeschichte ab 2015 für mehrere Jahre eine denkmalgeschützten Sanierung bevorsteht, verneigt sich das Haus nun vor seiner eigenen Bedeutung – eine architektonische Ausstellung zur Architektur des Gebäudes.

Man kommt nicht umhin, die raumeinnehmenden Fichtenstämme in ihrer Größe und Ausstrahlung als beeindruckend zu empfinden. Etwas schmälernd wirken die beiden unbenutzten Garderobenhäuschen, sowie die hohen marmornen Wärmekorpusse, die jedoch durch ihre parallele Form fast ebenso ein Teil der Ausstellung werden. Es entstehen Assoziationen zu Göttlichem, zu Skulpturengärten, mitunter auch zu Baustellen. Gleichzeitig bleibt die Wechselwirkung zwischen dem Stahl-, Stein-, Glaskonstrukt und den Baumstämmen (als natürliche Elemente) bestehen. Die daraus sich ergebende Raumästhetik und das Verwischen dieser Grenzen bringt den Besucher in eine unvorhersehbare Position: Er wird Teil der Ausstellung, Teil des „Waldes“, da er als einziges sich bewegendes Objekt Lebendigkeit vermittelt.

Man kann sich fragen, ob die schon entrindeten Bäume nicht auch eine gewisse Trostlosigkeit mit sich bringen, ob man ohne architektonisches Vorwissen zum Bau oder ohne wirklich detaillierteren Informationen bezüglich der Intention Chipperfields jedem Besucher die vielen Blickwinkel der Ausstellung ermöglicht. Und doch liegt auch darin der Reiz. Man kann, man muss aber nicht, nach der Bedeutung fragen, das individuelle Empfinden und Verstehen wird ohne Bewertung akzeptiert. So viel Platz die Baumstämme zwischen sich und für das Auge lassen, soviel freie Interpretation ist jedem erlaubt.

„David Chipperfield – Sticks and Stones, eine Intervention“ macht hungrig auf die Zukunft des Hauses, lässt einem von außen wie von innen das beachtliche architektonische Vermächtnis Mies van der Rohesʻ erkennen und verabschiedet den Bau auf eindrückliche Art und Weise.


Installationsansicht 2

Foto
David von Becker: David Chipperfield und Udo Kittelmann, Installationsansicht 1, Installationsansicht bei Nacht 1
Ute Zschamt für David Chipperfield Architects: Installationsansicht 2
Banner und Installationsansicht bei Nacht 2: Prof. Schwarz

Text Jule Wittorf