Tchoban Foundation – II

Exkursion

L’HÔTEL PARTICULIER À PARIS
Tchoban Foundation | Berlin
18.10.2014 – 15.2.2015

Titel: L’hôtel particulier à Paris
Ort: Tchoban Foundation, Museum für Architekturzeichnung, Christinenstrasse 18A, 10119 Berlin
Zeitraum: 18. Oktober 2014 bis 15. Februar 2015
Ziel / Schwerpunkt: Die Lehre von Handzeichnungen weiterzugeben und die Wichtigkeit der Architekturzeichnung den heutigen Architekten und Architekturstudenten zu vermitteln
Objekte: Handzeichnungen, Architekturzeichnungen, historische Pläne und Zeichnungen
Zielgruppe: Architekten, Architekturstudenten, Szenografen, Kunstinteressierte

Kuration: Emmanuelle Brugerolles, leitende Konservatorin der grafischen Sammlung der École des Beaux-Arts
Architektur: SPEECH Tchoban/Kuznetsov Architekten, Moskau
Ausstellungsgestaltung: Nadejda Bartels

Träger: Privatmuseen
Kategorie: Kunstausstellung und Themenausstellung
Ausstellungsraum: Innenraum, stationär
Zeitraum: Wechselausstellung

Tchoban Foundation
Die Leidenschaft für eine Generierung der Form durch einen zeichnerischen Prozess gehe heute verloren, sowohl ausgebildete Architekten als auch Architekturstudenten setzten sich in der heutigen Zeit zu wenig mit dem zeichnerischen Medium als Ausdruckskraft des Entwurfs auseinander. Unter diesem Vorwand entstand die Idee für die Gründung der Tchoban Foundation | Museum für Architekturzeichnungen im Jahre 2009. Der Gründer, Sergei Tchoban, ist selber Architekt, leidenschaftlicher Zeichner und Sammler historischer Zeichnungen. Durch die Tchoban Foundation setzte er sich das Ziel, altbewährtes Wissen über die Kunst des Zeichnens neu zu vermitteln. Durch Veranstaltungen und Ausstellung, aber durch eine öffentlich zugängliche Bibliothek, versucht die Stiftung die Welt der Architekturzeichnungen der Öffentlichkeit wieder näher zu bringen.

Museum für Architekturzeichnungen
Im Prenzlauer Berg des Bezirks Pankow liegt das 2013 erbaute Museum für Architekturzeichnungen. Auf dem Gelände des Pfefferbergs, einem ehemaligen Brauereiareal, wo sich damals die Brauerei Pfefferberg befand, hat sich das Gebäude auf einem Gelände niedergelassen welches geprägt ist von kulturellen Einflüssen und sich seit 1990 immer mehr Kultureinrichtungen, Galerien, Hotels und Cafés angesiedelt haben.
Das Museumsgebäude wurde von SPEECH in Moskau, Architekten Sergei Tchoban und Sergei Kuznetsov entworfen. Es fügt sich in das Areal und Gesamtanlage des Pfefferbergs ein und schliesst direkt an die Brandwand des denkmalgeschützten Gebäudes der Christinenstrasse 17 an.
Interessant ist hier dass der Gründer der Foundation auch das Gebäude mitentworfen konnte. So war es ihm möglich das übergreifende Thema der historischen Zeichnungen auch auf die Gebäudehülle zu projizieren. Von aussen sieht der monolithische und nahezu fensterlose Bau wie eine durch Zeichnungen entstandene Skulptur. Die Sichtbetonhülle wird durch Reliefs und Abzüge ausgewählter Zeichnungen von Pietro di Gottardo Gonzaga und Angelo Toselli überzogen und weist mit dem gelbgrauen Farbton des Betons, an Anlehnung an das Pergamentpapier, auf die Nutzung des Gebäudes hin. So ist von aussen schon eindeutig, was dem Besucher im Inneren erwartet. Auch die Formgebung des Gebäudes ist eine subtile Anlehnung an die Zeichnung: der Bau spielt bei jedem der vier Geschosse mit winkelförmigen Auskragungen die wie gestapelte dann gedrehte Kisten wirken. So soll der Eindruck von verschiebbaren „Schubladen“ vermittelt werden die Zeichnungen aufbewahren. Das oberste Staffelgeschoss, welches sich über den bis in den Keller verlaufenden Massivbau befindet, steht als Glaskörper auf dem plastischen Monolith, und bietet Raum für eine Terrasse mit Ausblick auf das Areal und den gegenüberliegenden Park.
Durch einen nischenartigen Eingang an der Christinenstrasse kommt der Besucher ins Gebäude, zuerst ins Erdgeschoss das als Eingangshalle, Bibliothek und Museumsshop dient, dann weiter in das erste und zweite Obergeschoss welche als Ausstellungsräume dienen. Während das Museumsfoyer noch mit hochwertigem Nussbaumholz geschmückt ist, wird das Treppenhaus im minimalistischen Sichtbetonstil schlicht gehalten. Nur die massiven Holztüren die den Besucher in die Ausstellungsräume führt werden als Kontrast zum Treppenhaus eingesetzt.



Die Ausstellung: L’hôtel particulier
Von Paris ausgehend entwickelte sich das Konzept des Stadthauses, das sogenannte Hôtel Particulier, zu einem berühmten Bild der Hauptstadt. Die Pariser Hôtels Particuliers waren im 17. und im 18. Jahrhundert repräsentative Stadthäuser der angehörigen des Adels und Klerus unter dem französischen König. Vor allem im 18. Jahrhundert, nachdem eine Zurschaustellung der Macht des Adels verpönt wurde, entwickelte sich die Hôtels Particuliers zu Häuser des erhobenen Bürgertums. Heute spielen diese prunkvolle Residenzen immer noch eine wichtige Rolle, und dienen meist die Beherbergung von Ministerien und Botschaften. Wichtigste Architekten dieses Bautypus waren Germain Boffrand und Jules Hardouin-Mansart.

Ausstellung
In der Ausstellung der Tchoban Foundation werden circa 65 Werke über das Hôtel Particulier der Öffentlichkeit gezeigt. Das ausgewählte Werk umfasst handgezeichnete Ansichten, Schnitte und Grundrisse der Hôtels, die von der Sammlung der École des Beaux-Arts in Paris zur Verfügung gestellt worden sind. Auch die Kuration übernahm die leitende Konservatorin der grafischen Sammlung der École des Beaux-Arts, Emmanuelle Brugerolles. Für eine ausführliche Publikation stellte Jean Mariette die zwei jungen Architekturzeichner Jean Michel Chevolet und Pierre-Charles Prévotel ein, die dafür verantwortlich waren die Hôtels in verschiedenen Perspektiven darzustellen.

Gestaltung
Hat man durch das minimalistisch gehaltene Treppenhaus das erste Obergeschoss erreicht, blickend auf den Glasbau des Fahrstuhls, erwartet dem Besucher eine massive Holztür aus hochwertigem Nussbaum, dem Fussboden gleichend. Wie durch eine Einladung in eine Privatresidenz kommt man in den ersten Ausstellungsraum hinein. Die Gestaltung ist subtil und elegant. Alle Elemente wurden gezielt eingesetzt, um die Werke hervorzuheben. Man versteht auch, wieso der skulpturale Bau im ersten und zweiten Obergeschoss fensterlos sein muss: die Zeichnungen sind sehr lichtempfindlich, so wurde auch das Lichtkonzept im Innenraum gestaltet. Eine wandparallele durchgehende Deckenleuchte als Band gewährt eine nahezu UV-freie Beleuchtung der Papierexponate. Der Schatten fällt bei allen Zeichnungen gleichmässig und weich. Auch die Wandfarbe versteht sich Pendant zu den Ausstellungsobjekten: champagnerfarbig gestrichene Wände erinnern an das altbewährte Pergamentpapier, aber vor allem ist diese Gestaltungsmittel eine Anlehnung an die Farbigkeit der Zeichnungen. Nur die Wand mit den Ausstellungsinformationen und dem Schwarzplan von Paris bleibt ein kühles weiss. Alle Objekte sind mittig auf eine Augenhöhe von 1.50m ausgerichtet, was dem Besucher einen guten Überblick über die Kunstwerke verschafft und eine Ruhe in das Ausstellungskonzept bringt. Die Bilderrähmen wurden von der Ausstellungsgestalterin Nadejda Bartels gezielt einsetzt: ein edles Kirschholz passt sich sowohl dem Nussbaumholz des Bodens an und unterstützt die Farbigkeit der Zeichnungen. Auch die Passepartouts sind schön akzentuiert; ein leichtes, eher kühles Blau-Grau bietet den passenden Kontrast zu den warmen Zeichnungen. Generell wird in der gesamten Ausstellung ein angenehmer Farbausgleich geschaffen, das sowohl ausgleichend aber auch kontrastreich bleibt. Die Form des Gebäudes und ihre auskragenden Elemente sind im Innenraum spürbar und erfassbar doch keineswegs störend. Geht man nun ein Stockwerk höher befindet sich der zweite Ausstellungsraum. Hier ist die Form des Raumes wieder anders, denn ein zusätzliches Element präsentiert sich dem Besucher: eine Art Ruhezone für den Besucher, in der Form einer Loggia konzipiert. Der Holzboden des Ausstellungsraums wechselt fast fliessend zu einem grauen Fliessboden in der Loggia, hier wird wiederum das Element des Holzes auf die Wände projiziert. Doch auch da gibt es einen sauber ausgeführten Übergang von Holz zu Betonschalung.
Generell kann man behaupten, dass alle Elemente des Museums, von der Schalung der Aussenwand bis zur Fuge sehr präzise ausgeführten wurden.

Text: Murielle Leucker
Bilder: Prof. Schwarz