Abisag Tüllmann 1935-1996 | Museum für Fotografie

Exkursion

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1. Allgemeine Informationen

Titel: Abisag Tüllmann 1935-1996 Bildreportagen und Theaterfotografie

Ort: Museum für Fotografie, Jebensstraße 2, 10623 Berlin

Zeitraum: Fr 17. Juni – So 18. September 2011

Ziel/Schwerpunkt: Die Ausstellung zeigt anlässlich des 75.jährigen Geburtstags Abisag Tüllmanns das vielschichtige Werk der Fotografin: fotojournalistische Arbeiten mit dem Fokus auf zentralen politischen Geschehnissen und sozialen Bedingungen des Alltags sowie ihr theaterfotografisches Werk.

Objekte: Fotografien und Fotobücher, außerdem ein Reisepass und eine Kamera der Fotografin

Zielgruppe: Besucher, die an Fotografien interessiert sind, die soziale Lebenswelten und gesellschaftliche Umbrüche zeigen: Vom Alltag in Nachkriegsdeutschland über Politikerporträts bis hin zu Bildreportagen aus Algerien, Rhodesien-Zimbawe, Südafrika und Israel.

Kurator: Dr. Ludger Derenthal, Leitung: Sammlung Fotografie – Museum für Fotografie

Veranstalter: Historisches Museum Frankfurt, Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz, Sammlung Fotografie der Kunstbibliothek

 

2. Analyse

Träger: Staatliche Museen zu Berlin

Kategorie: Kunstausstellung

Ausstellungsraum: Innenraum

Zeitraum: Wechselausstellung

 

2.2 Präsentation:

Didaktisch– Aufgrund der stark politischen Motive der Fotografien wie Obdachlosigkeit, soziale Umstürze wie die deutsche Studentenbewegung von 1968 oder Befreiungsbewegungen in Algerien, Rhodesien-Zimbawe, Südafrika und dem Israel-Palästina-Konflikt verfolgt die Ausstellung einen didaktischen Anspruch.

Der Besucher wird mit einem eindringlichen, chronistischen Bild des aufstrebenden Nachkriegsdeutschlands konfrontiert, bei dem aufkommende moderne Urbanität und damit verbundene Probleme im Fokus der Betrachtung liegen: Abisag Tüllmann beobachtet Politiker und Geschäftsleute ebenso wie Obdachlose und Gastarbeiter. Aufnahmen von Akteuren der 68er-Bewegung wie Joschka Fischer oder Rudi Dutschke sind ebenso Dokumente der Zeitgeschichte wie Porträts von Willy Brandt oder Helmut Kohl und vermitteln einen starken Eindruck der bundesdeutschen Vergangenheit.

Auch die bildjournalistischen Reportagen aus dem Ausland sind politisch motiviert. Neben den Fotografien ausgestellte Fotobücher und Magazine, an deren Veröffentlichung die Frankfurter Fotografin beteiligt war, bespielen die Ausstellung hier mit zusätzlichen Informationen.

Tüllmanns Passion an der Dokumentation wirklichen Lebens stehen theaterfotografische Aufnahmen gespielten Lebens auf der Bühne gegenüber: gut ein Drittel der Ausstellung zeigt die fast dreißigjährige Auseinandersetzung der Fotografin mit Theaterinszenierungen.

Einleitende Texte zu den Themenkomplexen verstärken den didaktischen Ansatz der Ausstellung und versorgen den Besucher mit ausführlichen Informationen zum Werk der Fotografin im Kontext ihrer Zeit.

 

2.3 Gestalterische Mittel:

Inszenierung– klassisch, dunkler Boden, helle Wände. Ein neutraler Raum, der sich zurücknimmt und die Exponante in ihrer Wirkung unterstützt.

Raumstrukturierung–  Im Raum installierte Stellwände ermöglichen eine thematische Strukturierung der Ausstellung.

Thematische Struktur– Ohne chronologische Hängung durchwandert der Besucher der Ausstellung Themenbereiche wie Großstadt, Ost und West, politische Bewegungen, Reisereportagen, Kunst und Theater.

Besuchermanagement: Durch die thematische Struktur der Ausstellung, die dem Besucher durch am Eingang bereitliegende Informationsblätter vermittelt wird, wird dem Besucher ein Rundgang durch die Ausstellung ermöglicht.

Vermittlungskonzept– visuell. Vor dem Eingang der Ausstellung finden sich ausführliche Texte, die den Schwerpunkt des Werks Abisag Tüllmanns beschreiben und auch in der Ausstellung sind an den Wänden Texte aufgebracht, die einzelne Themenbereiche ausführlich erläutern.

Farbkonzept– Die Ausstellungsgestaltung wirkt mit leicht grau-gestrichenen Wänden und schwarzen Sockelleisten klassisch. Die Wandfarbe ermöglicht eine starke Wirkung der  Schwarz-Weiß-Kontraste der Fotografien.

Lichtkonzept: Die Ausstellung wird durch Spots an den hohen Decken beleuchtet, die an einem ebenfalls schwarz gestrichenen Rahmen an der Decke befestigt sind.

 

3. Bewertung

Dauerhaftigkeit– Da es sich um eine temporäre Ausstellung handelt, wird hier nicht der Anspruch von Dauerhaftigkeit verfolgt. Dennoch erweckt die Aufbereitung der Ausstellung den Eindruck, dass es sich um eine dauerhafte Ausstellung handeln könnte. Die klassische Gestaltung der Ausstellung mag diesen Eindruck verstärken.

Anmutung, Ästhetik, Schönheit– Die Betonung einzelner Elemente im Raum durch schwarze Farbe, sowie der dunkle Fußboden im Kontrast mit der hellgrauen Wandfarbe bilden eine ästhetische, dezente Umgebung für die Schwarz-Weiß-Fotografien der Künstlerin.

Angemessenheit der Mittel– Die logische Unterteilung der Fotografien nach Themenbereichen verstärkt den didaktischen Anspruch der Ausstellung. Die dezente Gestaltung und der Einsatz verschiedener Mittel der Information durch Texte an den Wänden oder durch Informationsblätter zur Unterteilung der Ausstellung rücken den politischen und sozialen, sowie historischen Gehalt der Exponate in den Vordergrund.

Anlass der Ausstellung ist der 75-jährige Geburtstag der 1996 verstorbenen Fotografin Abisag Tüllmann. Eines der wichtigsten Exponate der Ausstellung ist wohl eine Fotografie von Joschka Fischer, die Tüllmann 1973 in der Frankfurter Universität bei einem Teach-in zum Häuserkampf im Westend aufgenommen hat. Den Fotografien der Studentenbewegung von 1968 und deren Hauptakteuren stehen gesellschaftliche Momentaufnahmen gegenüber: beispielsweise die Aufnahme “Terrassencafé”, die eine gelangweilte Runde gesetzter Herren zeigt, die hinter Kaffeetassen in einem Boulevardblatt mit der Titelzeile “Attentat auf Rudi Dutschke” blättern. Ein dritter wichtiger Themenkomplex der Ausstellung ist “Obdachlosigkeit”, die Tüllmann in verschiedenen Bildreportagen zeigt, die stets bedrückende Formen von Armut, Verlassenheit und Einsamkeit vermitteln.

Die zurückgenommene Gestaltung der Ausstellung lässt den Fotografien allen Raum auf den Betrachter zu wirken. Dabei schließen sich einzelne Exponate durch die Gliederung zu Themenkomplexen zusammen, bei denen alle Fotografien eine gleichwertige Bedeutung für das Gesamtbild der Ausstellung haben.

Die starke Betonung des informativen Gehalts des Werkes Abisag Tüllmanns verleiht der Ausstellung eine seriöse Athmosphäre, die dem Besucher den Eindruck vermittelt, sich auch auf politischer, geschichtlicher und sozialer Ebene zu bilden.

Die Aufteilung der Ausstellung in soziale und kulturelle Aspekte des Werkkomplexes der Fotografin ergibt für die Dramaturgie des Ausstellungsrundgangs zwei Phasen, bei denen der Betrachter emotional auf unterschiedlichen Ebenen angesprochen wird. Durch die Anordnung der Module ist der Besucher angehalten zunächst die politisch-dominierten Fotografien zu betrachten um im zweiten Teil des Rundgangs die theaterjournalistische Arbeiten anzuschauen. Während der erstere Teil der Ausstellung sich somit mit realen, politischen Themen beschäftigt, handelt es sich im letzteren Teil um inszeniertes Leben auf der Bühne, wobei das Interesse der Fotografin an der Zerbrechlichkeit oder Fragilität menschlicher Existenz hier die Klammer bildet.