Roman Ondak – Installationen


Exkursion

1. Allgemeine Informationen

Überblick

Titel: Roman Ondák – Installationen, »do not walk outside this area«
Ort: Deutsches Guggenheim, Unter den Linden 13, 10117 Berlin
Zeitraum: 26. April 2012 bis 18. Juni 2012
Thema: Die Ausstellung beschäftigt sich spielerisch mit der Verkehrung von Innen und Außen, den Konventionen des Kunstbetriebs und der Gesellschaft und dem Reisen. »Do not walk outside this area« hat Roman Ondák eigens für das Deutsche Guggenheim im Rahmen der »Künstler des Jahres« – Ausstellung konzipiert. Erstmals werden acht seiner Installationen in Berlin präsentiert.
Ziel/Schwerpunkt: Durch die Installationen, die in einen neuen Zusammenhang gebracht werden, geraten Erwartungen und Konventionen ins Wanken. Roman Ondák hinterfragt das Selbstverständliche und regt Besucher zum Reflektieren der Gegenwart an.
Objekte: unterschiedliche Installationen und Papierarbeiten
Zielgruppe: Liebhaber der Gegenwartskunst und von Rauminstallationen
Architekt: Der amerikanische Architekt Richard Gluckman entwarf dort eine 510 Quadratmeter große, klar strukturierte Galerie. Die Ausstellungshalle befindet sich im Erdgeschoss des Gebäudes der Deutschen Bank.

 

2. Analyse

2.1 Klassifikation

Sonstige Träger: Guggenheim-Stiftung, Kooperation zwischen der Deutschen Bank und der Solomon R. Guggenheim Foundation
Kategorie: Kunstausstellung
Ausstellungsraum: Innenraum, Mobil
Zeitraum: Wechselausstellung

 

2.2 Präsentation

Aktuell/Kommunikativ:
Mit seinen Arbeiten stellt der Konzeptkünstler Roman Ondák bestehende Verhältnisse in Frage und regt somit zur Diskussion und Auseinandersetzung an. Durch die Beschäftigung mit dem Selbstverständlichen in der Gegenwart entstehen Bezüge zu zeitgenössischem Denken.

 

2.3 Gestalterische Mittel

Objektpräsentation:
Es handelt sich um unterschiedliche Installationen, die an der Wand entlang präsentiert werden. Jede Installation hat genügend Platz im Raum. Neben den Installationsobjekten werden Papierarbeiten, wie Zeitungsartikel und Postkarten ausgestellt.

Inszenierung/Raumstrukturierung/Vermittlungskonzept:
Der längliche Ausstellungsraum des Deutschen Guggenheims wurde für diese Einzelausstellung verändert und in drei Räume unterteilt. In dem Eingangsraum informiert ein kurzer Text über den Konzeptkünstler und leitet die Ausstellung ein. Die erste Installation befindet sich direkt daneben an der Wand und trägt den Titel “Wall being a Doof” – eine altmodische Türklinke – das Signal steht auf Rot, auf Abgesperrt, Besetzt – hängt an einer Wand. Das Gegenstück ist auf der Rückseite der Ausstellungswand zu finden und zeigt ein grünes Signal an. Eine Tür die nicht aufgeht, nur imaginär kann man durch diese Tür gehen.

Die hohe Raumtrennungswand, die weit in den Raum hineinragt schafft eine Situation, die den Besucher stoppen lässt und so der Eingang in die Ausstellung erschwert wird. Jeder Raum steht für sich und dem Besucher ist es nicht möglich den Umfang der gesamten Ausstellung mit einem Blick zu erfassen.

Ein schmaler Einlass führt in den ersten Raum. Wieder muss der Besucher stoppen, die zweite Installation, ein Treppengelände, ragt aus der Wand heraus und konfrontiert den Besucher mit einem alltäglichen Gegenstand in einem völlig neuen Zusammenhang. Zwei Gitterstäbe sind aufgebogen. Unsere Fantasie und die eigenen Erinnerungen werden wachgerufen. Wer hat sich dort den Weg frei gebogen?

Neben weiteren Installationen, wie das  Keyhole (2012) – ein einfaches Schlüsselloch, durch welches man einen kleinen Ausschnitt aus dem Alltag auf Unter den Linden erspähen kann – befindet sich auch die Arbeit Awaiting Enacted (2003) im ersten Raum. Hier zeigt Ondák 16 Seiten von unterschiedlichen slowakischen Zeitungen, die am selben Tag erschienen sind. Die Bilder ersetzt Ondák durch Motive von Menschenschlangen aus den unterschiedlichsten Zeiten und Ländern. Das fiktive Blatt hat eine Nachricht: die ganze Welt wartet.

Der Mittelpunkt der Ausstellung ist ein abgetrennter und seiner Funktion beraubter Flugzeugflügel einer Boing 137, der den zweiten und dritten Raum verbindet und einer Brücke gleicht. Hierbei ist ein Sicherheitshinweis wichtiger als der Flügel selbst, wonach auch die Ausstellung benannt ist: »Do not walk outside this area«. Der Besucher ist theoretisch dazu in der Lage, über die Grenze des Erlaubten zu gehen ohne gleich mit dem Tod zu rechnen. Auch hier werden die Fantasien angeregt, wenn man diesen Flugzeugsteg betritt. An wen kann sich diese rätselhafter Warnhinweis richten? Und wie wäre es in der Luft auf diesem Flügel zu balancieren?

Thematisch passend zum Tragflügel beschäftigt sich der finale Raum mit dem Reisen –  die Dokumentation eines Urlaubs in Kalabrien.

Balancing at the Toe of the Boot (entstand 2010 für die Ausstellung Un’Espressione Geografica) umfasst 7 Postkarten sowie 16 fiktive Zeitungsartikel. Ondák und seine Frau Maria reisten durch Süditalien und schickten Francesco Bonami, dem Kurator der Ausstellung Un’Espressione Geografica – Postkarten mit der Botschaft »We are still Alive«. Dies ist eine Hommage an den Konzeptkünstler On Kawara, der in den 1970ern eine Serie von Telegrammen mit dem Wortlaut »I AM STILL ALIVE. ON KAWARA« an seine Freunde verschickt hat. Außerdem spielt Ondák mit dieser kurzen Botschaft ironisch auf die Gefahren dieser süditalienischen Region hin: das organisierte Verbrechen und der völlig chaotische Straßenverkehr.

Die Postkartenserie wird speziell inszeniert und gewinnt an Wichtigkeit: Mitten im Raum werden die sieben Postkarten  zwischen zwei großen Glasscheiben auf einem Sockel monumental präsentiert – es gleicht einer Trophäe.

Gestaltet sind die drei Räume eher bescheiden, aber die Arbeiten setzen dafür umso eindringlicher Pointen. Das Vermittlungskonzept ist sehr schlicht gehalten. Kurze Betitlung des Werkes an der weißen Wand in grauer Schrift ist die einzige Information, die man finden kann.

Durch die readymade Objekte und die Papierarbeiten ist die gesamte Ausstellung eher »farblos«, der Schwerpunkt liegt nicht auf dem Design sondern dem Ausstellungskonzept – hierbei spielen die Objekte mit den Maßstäben und Erwartungen der Besucher. Das erkennt man z.B. an der einfache Stahltreppe zum Flugzeugträger, wo sich ein Designer wahrscheinlich anderen Mitteln bedient hätte.

Durch die überschaubare Anzahl der Arbeiten und der Räume wird kein Orientierungssystem für die Besucher benötigt, es ist sie sehr übersichtlich.

 

3. Bewertung

3.1. Qualtitäten
Die Installationen werden angemessen präsentiert. Die readymade Objekte haben genügend Raum und der neue uns fremde Zusammenhang, in den diese gestellt werden, verleiht ihnen eine Originalität und Ästhetik in einer besonderen Art und Weise. So wirkt der abgetrennte Flugzeugflügel am Boden als Objekt wunderschön – fragil und mächtig zu gleich.
Das die Ausstellung in ihrer Gestaltung sehr schlicht gehalten ist, passt zu den Werken – die Installationen sprechen für sich.

 

3.2. Fragenkatalog

Was ist der Anlass der Ausstellung?
Der slowakische Künstler Roman Ondák wurde als ‚“Künstler des Jahres” 2012 der Deutschen Bank ausgezeichnet. In einer umfassenden Einzelausstellung werden die Arbeiten von Roman Ondák im Deutsche Guggenheim präsentiert.

Welche sind die Schlüsselobjekte? Werden sie angemessen präsentiert?
Das Schlüsselobjekt der Ausstellung ist der Tragflügel. Er liegt im Zentrum der Ausstellungshalle auf dem Boden, nimmt einen kompletten Raum ein und verbindet die letzten zwei Ausstellungsräume miteinander. Allein dadurch wird ihm eine besondere Bedeutung verliehen. Die Besucher sind gezwungen, über die Fläche des Flügels zu gehen – die man normalerweise nur vom Inneren des Flugzeugs aus sehen kann – um den letzten Ausstellungsraum zu erreichen. So ist Ondáks Schlüsselobjekt keine Skulptur, sondern ein Gebrauchsgegenstand, den man betreten soll.

Welche Rolle spielen die Objekte?
Die alltäglichen readymade Objekte, die in ihrer Funktion beraubt werden (eine Tür, die nicht aufgeht/ ein Treppengelände, welches nicht begehbar ist/ ein Flugzeugflügel am Boden etc.), werden in einen neuen Kontext gestellt und hinterfragen somit das Selbstverständliche. Sie dienen nicht als Anschauungsobjekte sondern als Hilfsmittel, die unser Denken, unsere Imagination in Gang setzen und unsere Wahrnehmung und Selbstwahrnehmung hinterfragen sollen.

Wie werden Bedeutungen kommuniziert?
Die Arbeiten von Ondák werden hauptsächlich um den Raum herum, an den Wänden präsentiert. So bekommt der Flugträger eine besondere Bedeutung, weil dieser mitten im Raum platziert ist und noch dazu als Gebrauchsgegenstand fungiert. Auch die Postkartenserie wird durch die Platzierung im Raum in den Mittelpunkt gerückt und gewinnt an Wichtigkeit.

Welche atmosphärische Stimmung entsteht?
Die Installationsobjekte regen unsere Erinnerungen und Imaginationen an. Laufen wir über den Tragflügel, so denken wir an unseren letzten Flug. Die Postkartenserie erinnert uns an den Urlaub den wir noch planen müssen. Eine Atmosphäre aus Erinnerungen und Imaginationen entsteht – jeder Besucher hat seine eigenen Gedanken.

Wie verläuft die Dramaturgie des Ausstellungsrundganges?
Man kann die Ausstellung wie eine kleine Reise empfinden, auf der man unterschiedliche Erfahrungen macht. Der erste Raum zeigt Arbeiten, die »Innen« und »Außen« reflektieren und Menschenschlangen abbilden. Dieser könnte als imaginärer Warte- und Abflugbereich empfunden werden, denn der zweite und dritte Raum beschäftigen sich mit dem Thema der Reise.

Wie werden Themen und Inhalte umgesetzt?
Roman Ondák beschäftigt sich mit dem sonst nur flüchtig wahrgenommenen Kern des Alltäglichen. Die Ausstellung “Do not walk outside this area” umfasst zwei Themenkomplexe, die Ondák seit Beginn seiner Laufbahn beschäftigen: die Regeln und Konventionen, die unseren Alltag aber auch die Kunst prägen und das Reisen, die Bewegung von einem Ort zum Anderen – physisch oder in der Imagination. Diese beiden Themen setzt er in Installationen und Papierarbeiten um.

Lohnt sich ein zweiter Besuch?
Da die Ausstellung sehr überschaubar ist, reicht ein Besuch aus.

 

Text: Marjam Fels