Sundew C. – “Gatherers”
12. März – 22. August 2009
Vom Sinneswandeln.
Die Räume sind nicht groß und monomental wie etwa die in der Neuen Nationalgalerie oder im Martin-Gropius Bau. Auch haben sie nicht den Westberliner Charme einer Villa Oppenheim oder die exklusive Lage des Filmmuseums am Sony Center. Die Ausstellung kann sich auch nicht mit weltbekannten Namen à la Le Cobusier, Newton, James, Hitchcock schmücken oder mit teuren Werbekampagnen auf sich aufmerksam machen.
Nein, besucht man die Ausstellung Sinneswandeln am nordöstlichen S-Bahn-Ring sollte man sich erst einmal von all diesen Erwartungen losmachen. Hier gibt es kein spießiges Foyer, keine Wachmänner, keine Garderobe, kein Buchshop, kein Besucherparkplatz. Die Betreiber von Sinneswandeln scheinen andere Werte zu haben und so erinnert das eingeschossige bunt angemalte Kita-Gebäude im Plattenbausystem auch vielmehr an einen Jugendklub für autonome Kids als an eine Kunstausstellung.
Wenn man jedoch den Schritt durch die Tür in die absolute Dunkelheit wagt und sich die Iris langsam an das mangelnde Licht gewöhnt hat, eröffnet sich einem langsam eine fremde Welt. Eine Welt der leuchtend, übersättigten Neon-Farben, eine Welt der Fantasie, der Träume, der Ekstase. Eine Welt unter der Schwarzlicht-Sonne. Willkommen bei Sinneswandeln.
Flash To Be u.a.
Sinneswandeln ist ein Gemeinschaftsprojekt von 25 UV-Licht-Künstlern aus ganz Deutschland und aus Teilen Europas. Vom 12. März – 22. August 2009 stellen 17 von ihnen in der Storkower Straße aus. Dies sind Künstler wie Andonasty, der inspiriert von fernöstlicher Kultur mit Stoffen und fluoreszierenden Farben organische Strukturen schafft, Künstler wie Markus Anatol Weisse, der Roboterskulpturen mit elektronischen Spezialfunktionen programmiert oder Harald Ochsenfarth, der mit der white-and-white Technik Bilder von Akten, Fantasiewelten und futuristischen Landschaften malt, die bei normalen Tageslicht unsichtbar sind und erst unter dem Schwarzlicht ihr Geheimnis preisgeben.
17 Künstlerinnen und Künstler verteilt auf wenige Quadratmeter. Die Wände dementsprechend beladen. Das Auge wandert zwischen Schwarz oder Neon, Zwischentöne gibt es nicht. Dies ist entspannend und anstrengend zugleich. Ein Raumkonzept ist nur schwer zu erkennen, zu kleine Beschriftung, Künstler und Werke bleiben auf dem ersten Blick anonym. Alles scheint aus einem Guss mit dem selben Inhalt.
Markus Anatol Weisse – “Welbaquine”
Harald Ochsenfarth
Es geht um Traumwelten. Aber geht es in der Schwarzlichtkunst nicht immer um diese Traumwelten – Warum ist das so? Obwohl die Künstler auf sehr kreative Weise unterschiedlichen Materialien wie beispielsweise Air-Brush, Neonfäden, Bauschaum, Plastik und Silikon auf der Fläche sowie im Raum anwenden und faszinierende optische Effekte erzeugen, beschränkt sich diese Kunst meist auf die selben psychedelischen Themen und Motive wie Drachen, Blumen, Sterne, Fantasiewelten. Es scheint fast so als wäre diese Kunstrichtung seit ihren Anfängen in den 60er und 70er Jahren inhaltlich nie den Kinderschuhen entwachsen. Ist Schwarzlichtkunst auch immer gleichzeitig verbunden mit EINER Subkultur, mit EINER Religion, EINER Ideologie?
Erdling
Ich weiß es nicht. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob diese Frage nach neuen Themen überhaupt gestellt werden muss. Vielleicht geht es auch nicht primär um den Inhalt, sondern letztendlich nur um die Wirkung den Besucher in diese Traumwelt tauchen zu lassen. Die Kunst als Mittel zum Zweck. Und das funktioniert hervorragend. So sei es dann.
Rückblickend ist die Ausstellung Sinneswandeln inhaltlich mit Sicherheit keine Offenbarung. Sie gibt keine neuen Antworten, sie stellt keine neuen Fragen, zumindest mir nicht. Ebenso setzt sie keine Maßstäbe in ausgeklügelter Raumgestaltung, ganz im Gegenteil es wirk alles eher provisorisch, gar zufällig. Doch ist dies überhaupt notwendig um zu sinneswandeln? Nein! Der visuelle Effekt und das Raumgefühl bleibt, egal ob man im Dunkeln auf teurem Parkett oder PVC läuft. Aus diesem Grund hebt sich Sinneswandeln im Hinblick auf die Raumwirkung und -stimmung auch ganz klar von allen andern besuchten Ausstellungen in diesem Semester ab.
Mehr Infos unter: www.sinneswandeln.de
Nachtrag zum Inhalt des Projektes Sinneswandeln von der Organisatorin Ellen Harting.
„Das, was viele KünstlerInnen von Sinneswandeln in ihren Arbeiten zum Ausdruck bringen wollen, sind Zwischenwelten (in-between worlds) des menschlichen Geistes, liminale Orte (liminal spaces) und Begebenheiten, insofern steht diese Kunst der heutigen visionären Kunst (visionary art) sehr nahe. Der Entstehungsprozess der Arbeiten kann mit einer mäeutischen Herangehensweise verglichen werden. Der/die Künstler/in bringt das, was er/sie in ihren Tiefen, auch in Verbindung zur Außenwelt, sieht und erfährt, zum Ausdruck. Das Innere stellt Fragen, deren Antworten es kennt, die jedoch nur durch Beantwortung von Außen, durch den Verstand des Menschen, in eine Form gebracht werden können. Hierbei treten von außen auferlegte Konstrukte und Vorgaben hinter Intuition und Empathie zurück. Der/die Künstler/in lässt ihre/seine Antworten im Kunstwerk synergetisch zusammenfließen und ermöglicht so den freien Zugang zu den Tiefen, in denen ‚das Leben das Leben begreift’ (Victor Turner). Dieser Prozess ist wie die Neugeburt eines Teils dieses Menschen, man könnte ihn im weitesten Sinne mit einer liminalen Phase vergleichen. Die KünstlerInnen möchten dem/der Betrachter/in keine klar definierte Intention vorgeben, sondern es ihr/ihm vielmehr ermöglichen, möglichst unvoreingenommen und ‚ohne Bürde’ in die Aura der Arbeiten eintauchen zu können. Dies ermöglicht der Betrachterin/dem Betrachter eine besondere Nähe zu den Kunstwerken, sie/er wird nicht intentionell auf Distanz gehalten, die Definition von ‚Kunst als Gegenstand der Klassenauseinandersetzungen’ (Pierre Bourdieu) kann hier überwunden werden. Kunst kann hier ‚liminales Seherlebnis’ des/der Betrachtenden auslösen und somit zu einer ‚Außerkraftsetzung der alltäglichen Wahrnehmungsordnung’ führen (Barbara Keifenheim). Insofern ist an dieser Stelle Kunst nicht nur dazu geeignet, Erfahrung sinnhaft zum Ausdruck zu bringen, sondern dieselbe kann, nach Raymond Firth, selbst ‚meaningful experience’ auslösen. ‚Eine Ode an das, was hinter den Dingen liegen könnte.’ “