Kapoor in Berlin

Exkursion

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1. Allgemeine Informationen

1.1 Überblick

Titel: Kapoor in Berlin

Ort: Martin-Gropius-Bau, Berlin

Zeitraum: 18. Mai – 24. November 2013

Thema: zeitgenössische Kunst

Ziel / Schwerpunkt: Präsentation bereits bestehender & speziell für den Martin-Gropius-Bau gefertigte Kunstwerke

Objekte: 70 Werke aus Pigment, Stein, Holz, Erde, Stahl, Wachs, PVC, Edelstahl, High-Tech Materialien

Zielgruppe: Interessierte für zeitgenössische Kunst ohne Altersbegrenzung

 

1.2 Impressum

Kuratoren / Autoren: Norman Rosenthal

Architektur: Martin Gropius, Heino Schmieden

 

2. Analyse

2.1 Klassifikation

Träger: ermöglicht durch den Hauptsstadtkulturfonds im Rahmen der Berliner Festspiele

Kategorie: zeitgenössische Kunstausstellung

Ausstellungsraum: Innenraum / stationär

Zeitraum: Sonderausstellung

Budget: XL

 

2.2 Präsentation

Der Besucher wird mit “Symphony of a beloved sun” begrüßt. Eine eigens für den Martin-Gropius-Bau gefertigte und inszenierte Objektinstallation, die in die bestehende Architektur des Lichtfhofs integriert wurde. Sie zeigt 4 Förderbänder, wovon eines alle 45 Minuten einen 60kg schweren dunkelroten Wachsblock (von einem Museumsmitarbeiter “hinter den Kulissen” aufgeladen) in die Höhe befördern, bis dieser am Ende das Bandes auf die schon beförderten Blöcke herunterfällt. Durch die etwas weiche Konsistenz der Wachsblöcke breiten sich diese langsam am Boden des Lichthofs aus und wachsen über die Dauer der Ausstellung zu einem undefinierbaren Haufen zusammen.

Die beschriebenen Wachsblöcke werden in einer weiteren Installation “Shooting into the corner” nochmals thematisiert, indem sie mittels einer Kanone in die Ecke eines Raumes geschossen werden. Zu unregelmäßigen Zeiten lädt ein Assistent die Kanone mit einem der vorgefertigten, dunkelroten Blöcke. Die Zeit zwischen dem Laden und dem lauten Schuss wählt er willkürlich und baut dadurch eine große Spannung in den Besuchern im Raum auf. Durch die Beschaffenheit des Wachses bleiben Teile davon an den Wänden kleben, der Rest sammelt sich auf dem Boden und vermischt sich mit den bereits geschossenen Blöcken. Ein Blick von aussen, durch das Fenster an der Seite schafft einen Perspektivenwechsel und lässt diese Installation wie ein Stillleben erscheinen, dessen Aktionsausmaß man erst bei der Teilnahme, auch auditiv, (lautstark) erkennen kann.

Das Wachs wird auch in weiteren Objekten der Ausstellung aufgegriffen.

“Death of the Leviathan” ist ein Objekt, dass schon 2011 im Grand Palais in Paris gezeigt wurde. Damals konnte man das Werk in seiner gesamten Größe und auch von innen erleben. Im Martin-Gropius-Bau kann man die Ausmaße des riesigen dunkelroten PVC-Schlauchs nur erahnen. Da das Objekt architekturbedingt in insgesamt 3 angrenzende Räumen platziert wurde, kann man immer nur einen Teil davon erkennen. Durch die unterschiedliche Präsentation ein und desselben Objekts ist eine eindeutige Aussage über die Intention des Künstlers kaum möglich.

Weiter zeigt die Ausstellung mehrere Spiegelskulpturen, die von Spezialfirmen in Kapoors Auftrag gefertigt wurden. Polierte Edelstahlskulpturen und High-Tech-Anfertigungen konkaver Spiegelobjekte laden förmlich zu einer spielerischen und unterhaltsamen Interaktion ein. Der dadurch entstehende Unterhaltungsfaktor steht fast im Kontrast zu den möglicherweise “blutigen” Assoziationen einiger Wachsfiguren.

Mit seinen Zementskulpturen schafft Kapoor surrealle Landschaften, die fast schon szenografisch den Raum gestalten. Wie verlaufender Sand bei Sandburgen bilden die Zementhaufen eine natural wirkende Hügellandschaft, durch die der Besucher wandern kann. Die Surrealität führt sich auch in seinen Steinskulpturen und Pigmentinterventionen fort. Durch die Auftragung reiner Farbpigmente auf seine Steinskulpturen oder die Aufbringung eines Kreises auf dem Boden (»Descent into Limno«) schafft Kapoor eine unbekannte Tiefenwirkung, die einer optischen Täuschung gleicht. Und diese findet ihre höchste Ausreizung in den verkrümmten Spiegeln, die der Besucher sofort als Interaktionsobjekt wahrnimmt und sich um sie herum bewegt.

Anish Kapor präsentiert seine Werke nicht auf Sockeln oder in Vitrinen. Er nutzt den Raum selbst als Präsentationsfläche. Seine Skulpturen stehen direkt am Boden oder sind nicht sichtbar an den Wänden befestigt. Somit bezieht er die Architektur und den Raum selbst in die Ausstellung mit ein, ohne seine Werke auf ein Podest zu heben.

Wie bereits erwähnt kooperierte Anish Kapoor mit diversen Firmen, die auf verschiedene Bereiche, unter anderem Spiegeltechnik oder 3D-Druck, spezialisiert sind. Ohne diese Zusammenarbeit und Kapoors Assistenten, die den Großteil der sehr aufwendigen Skulpturen und Objekte gefertigt haben, wäre diese Ausstellung nicht möglich gewesen. Auch die Architektur des Martin-Gropius-Bau war bei der Ausstellungsgestaltung eine Herausforderung. Die Dimensionen einzelner Werke, die gemeinsam präsentiert werden sollten (z.B. “Gethsemane”) forderten die Kreativität der Museumsgestalter bei der Anordnung ebendieser – zur Zufriedenheit des Künstlers bei der Abnahme.

Der Künstler Anish Kapoor gibt keinen Hinweis über seine Intention zum Entwurf der Werke. “Texte” in der Ausstellung finden sich nur in Form der Objektbeschriftung mit Informationen über Titel, Erscheinungsjahr und verwendete Materialien. Er überlässt die Auslegung und Interpretation seiner Objekte komplett dem Betrachter.

Durch den geschichtlichen Bezug des Ortes, die umgebenden Gebäude und die Materialität und Farbe der Installation “Symphony of a beloved sun” wäre die Assoziation zu einem Leichenhaufen eine mögliche Interpretation. Auch die Verbindung zu Malewitsch’ Oper “Der Sieg über die Sonne” ist ein weiterer Ansatzpunkt zur Auslegung des Werkes.

Anish Kapoors Skulpturen werden in der Ausstellung durch ihre Materialität und die einhergehende Farbe strukturiert. Während die Einzelskulpturen einen eigenen Titel tragen und dadurch einen Interpretationsansatz bieten, so werden die Objektgruppen entsprechend des Materials  kategorisiert (wie Zementskulpturen, Steinskulpturen, Spiegel oder Wachsskulpturen). Dabei ist keine chronologische Anordnung erkennbar. Der Besucher kann barrierefrei alle Objekte erreichen, ohne einem vorgegebenen Weg folgen zu müssen, der eventuell für einen Erkenntnisgewinn sorgen würde. Er entscheidet selbst, wie er die Ausstellung entdecken möchte. Jedoch gibt die Architektur des Gropius-Baus mit seinem Lichthof und den darum liegenden Räumen eine Rundgangsatmosphäre vor. Für das Lichtkonzept wurden die vohandenen Lichtquellen benutzt und zonenspezifisch den Anforderungen angepasst. So erfolgte bspw. bei den Steinskulpturen eine Abdunklung einiger Zonen mit manuell angebrachten Pappen.

 

3. Bewertung (Qualitäten – Bewertungskriterien)

Die Abwechslung von statischen und transformativen Objekten machen die Ausstellung abwechslungsreich, jedoch ist dadurch auch kein Überthema ersichtlich. Jedes Werk bzw. die Objektgruppen stehen für sich und unterziehen sich keiner eindeutigen Bedeutung, sondern können subjektiv auf unterschiedlichste Art und Weise interpretiert werden.  Den prominentesten Platz im Lichthof hat das Werk “Symphony for a Beloved Sun” bekommen und wird somit zum Schlüsselobjekt. Durch den Erlebnisfaktor der Performance bei “Shooting into the Corner” wird diese auch zu einer der Arbeiten, die einem in Erinnerung bleibt. Wenn man “Death of Leviathan” davor schon gekannt hat, wird man damit konfrontiert wie groß der Platzunterschied ist, den es in beiden Ausstellungsvarianten bekommen hat.

So ist Wachs ein wichtiger Teil von zwei Schlüsselobjekten, jedoch verwendet Anish Kapoor sehr viele verschiedene Materialien, wobei jeweils eines auch immer im Vordergrund der Werke steht. So entsteht eine Wechselwirkung in der Anordnung der Objekte in der Ausstellung, allerdings steht jedes thematisch für sich, auch wenn das gleiche Material verwendet wird.

Außerdem steht hinter jeder Bewertung der Gedanke, dass der Künstler meist nur als Konzeptionist und weniger als handwerklich schaffender Künstler agierte. Die teilweise aufwendigen und kostenintensiven Werke konnten nur mit den entsprechenden Subventionen vom Bund und Kapoors Mäzen, als auch seinen künstlerischen Mitarbeitern geleistet werden.

Zusammenfassend kann man die Ausstellung als abwechslungsreich bewerten. Durch die hohen Interpretationsmöglichkeiten der Objekte, die transformativen Skulpturen und die Materialvielfalt kann die Ausstellung bei jedem Besucher einen anderen Eindruck hinterlassen. Gerade wegen der sich verändernden Skulpturen lohnt sich ein zweiter Besuch.

 

Text: Maja Dika, Eva Greisinger & Julia Klauer