Bigger Than Life – Ken Adam‘s Film Design

Exkursion

Ken Adam’s Film Design
Bigger Than Life
Deutsche Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen

Künstlerischer Direktor: Rainer Rother
Verwaltungsdirektor: Maximilian Müllner
Kuratoren: Boris Hars-Tschachotin, Kristina Jaspers, Peter Mänz
Projektsteuerung: Kristina Jaspers, Peter Mänz
Ausstellungskoordination: Vera Thomas
Fundraising: Boris Hars-Tschachotin

Gestaltung Werbegrafik: Pentagram Design, Berlin
Gestaltung Ausstellungsgrafik: Jan Drehmel, befreite module Berlin
Gestaltung Ausstellungsarchitektur: Franke|Steinert Berlin
Bau Ausstellungsarchitektur: Camillo Kuschel Ausstellungsdesign, Berlin
Ausstellungseinrichtung: Rüdiger Stern, stern…gestaltung, Berlin
Modellbeleuchtung: Adriaan Klein, Camillo Kuschel
Leihgeber: Sergej Tchoban Foundation-Museum für Architekturzeichnung Berlin

Für eine der bekanntesten und schönsten Anekdoten über die Arbeiten von Ken Adam sorgte Ronald Reagan: Bei seinem Amtsantritt als Präsident im Weißen Haus, fragte er, ob man ihn in den „War Room“ führen könne. Das Personal war mit dieser Bitte überfordert. Ausgerechnet der ehemalige Hollywoodschauspieler ließ sich von einer Kinoillusion täuschen. Dieser imposante atomsichere Konferenzraum aus Stanley Kubricks Film „Dr. Seltsam“ war reine Fiktion. Ken Adam erschuf diese beeindruckende Kulisse der Macht, da es für das Weiße Haus keine Dreherlaubnis gab. Der Filmarchitekt wurde vor allem mit seinen Entwürfen für James Bond Filme wie „Dr. No“, „Goldfinger“ oder „Man lebt nur zweimal“ weltberühmt. Die deutsche Kinemathek ehrt den 93-jährigen jetzt mit einer ersten großen Retrospektive „Bigger than Life“, die vor allem mit Zeichnungen und Modellen seine technischen Visionen in den Mittelpunkt rückt.

Auch wenn sein Name anderes vermuten lässt, Ken Adam ist Deutscher. Er wurde in Berlin als Klaus Hugo Adam geboren. Im Alter von 13 Jahren floh er mit seiner Familie vor den Nazis nach London, wo er sich später in Ken Adam unbenannte. Er hat neben dem „War Room“ aus „Dr. Seltsam“ bei sieben Bond Filmen mitgewirkt und die meisten erinnern sich bestimmt an zahlreiche Kulissen für Schurken und Bösewichte: Zum Beispiel die gigantische Machtzentrale von Bonds Erzfeind Blofeld im Inneren eines erloschenen Vulkans in „Man lebt nur zweimal“. Ebenfalls aus der Feder von Ken Adam ist die Laserstrahl-Maschine unter der 007 von Goldfinger festgeschnallt wird und der Unterwasser-Scooter.

Der erste der vier Ausstellungsräume (Ken Adams Welt) zeigt eine üppig gefüllte Einführung in die Welt des Ken Adam. Eine vielschichtige Collage aus Fotos, Zeichnungen, Modellen und Ausstellungsstücken zeigt was Ken Adam begeistert und inspiriert. Schnelle Autos, rasante Flugzeuge, darunter auch das Modellauto aus Chitti Chitti Bang Bang, die von seiner Frau Laititia entworfenen Taschen und natürlich sein gewonnener Oscar für das Setdesign von Kubricks Barry Lyndon, werden in Vitrinen zwischen den Zeichnungen und Fotografien an der Wand präsentiert. Gezeigt wird auch sein spezieller Filzstift. Ein sog. Flow-Master. Dieser Stift läuft nicht spitz zu, sondern wird nach vorne hin breiter, ähnlich einem Stempel.

Der zweite Raum („Lines in Flow“) ermöglicht einen tieferen Einblick in die Arbeitsweise von Ken Adam. Durch die Medieninstellation „Lines in Flow“ zeigt Co-Kurator Dr. Boris Hars-Tschachotin dem Ausstellungsbesucher das, was er selbst vor vielen Jahren persönlich erlebt hat, als Adam ihm seine Zeichnungen zum ersten Mal zeigte. Für mich ist die Installation mit ihren zwei Projektionen der Höhepunkt der Ausstellung: Man kann dem Meister persönlich „begegnen“ und ihm bei der Arbeit ein wenig über die Schulter schauen. Die erste Projektion zeigt Ken Adam am Schreibtisch. Er zeichnet gerade seinen bekanntesten Entwurf den „War Room“. Hinter ihm eröffnet sich ein intimer Blick in die Werkstatt des Setdesigners, wo einige der Entwurfszeichnungen animiert wurden, sodass sie Schritt für Schritt vor den Augen der Besucher entstehen. Scheinbar in der Luft schwebend, entstehen die Filzstiftstriche weiß auf schwarz. Dabei erzählt er ein wenig über die Zusammenarbeit mit Stanley Kubrick bei dem alles bis ins kleinste Detail arrangiert war. Sogar der Tisch um den sich die Mächtigen versammeln wurde bis ins Letzte durchdacht und mit Filz bezogen, um einem Pokertisch zu ähneln. Schließlich wird dort um das Schicksal der Welt gezockt. Zum Abschluss ist die fertige Filmszene zu sehen. Durch diese gelungene Installation kann man ein wenig in Ken Adams Kopf hineinschauen. Einziger Kritikpunkt: Es gibt keine deutschen Untertitel. Besucher, die die englische Sprache weniger gut beherrschen und Familien mit Kindern müssen diesen Höhepunkt der Ausstellung leider auslassen und weitergehen.

Die zweite Enttäuschung: Leider kann man in der Ausstellung nicht durch die Kulissen wandeln. Es wäre toll gewesen, wenn zum Beispiel der Original „War Room“ aufgebaut wäre. So stellt sich die Frage: Bleibt da nicht alles etwas abstrakt, wenn man sich nur Zeichnungen, Fotografien und die Filminstallation ansehen kann?
Keine Sorge. Es gibt faszinierend, präzise Modelle. Architekturstudenten haben die wichtigsten Entwürfe nachgebaut. Diese stehen größtenteils auf überhöhten Sockeln. In Augenhöhe präsentiert, kann der Besucher direkt in die Szenerie blicken und „steht“ im Geschehen. Hier sind Kinder und Behinderte im Nachteil. Zusätzlich zu den Modellen gibt es Fotos von den Dreharbeiten, viele Filmausschnitte und Zeichnungen. Darunter zahlreiche Entwürfe nach denen die Szenenbildner gebaut haben. Aber es sind mehr als nur Skizzen für die Kulissenbauer. Die Zeichnungen, meist schwarzweiß mit reduzierter Strichführung, haben einen ganz eigenen Stil. Reduziert und rau schafft Adam utopische Räume. Der ganze Reichtum des Werks von Ken Adam zeigt sich im dritten Raum, ein Stockwerk tiefer. Statt einer konventionell chronologisch vorzugehen, setzen die Kuratoren in fünf Bereichen (Ken Adams Welt, Medieninstallation „Lines in Flow“, Raumvisionen, Berlin und London, Inspiration und Wirkung) motivische Akzente: Neben den grandiosen Verliesen, Laboren, Machtzentralen und Versammlungsräumen, aus den Bond-Filmen, werden auch weniger berühmte, dennoch großartige Entwürfe aus dem Alltag des Produktionsdesigners gezeigt. Darunter Entwürfe für Villen und Appartements. Auf ihren 450 Quadratmetern in vier Räumen ist diese Ausstellung eine ganz besondere Hommage an die Erfindungsgabe von Ken Adam. Auf dezente Weise nimmt die Ausstellungsarchitektur mit schrägen Linien, der schwarzweißen Farbgebung und Materialien Bezug zum Werk. Beispielsweise gleicht der schwarz glänzende Boden in der zweiten Hälfte der Ausstellung dem im „War Room“.


Der letzte Raum (Berlin und London, Inspiration und Wirkung) widmet sich der Biografie von Ken Adam, und zeigt zugleich in welchem Maße der von Mendelsohn, Mies van der Rohe, den Expressionisten und Futuristen inspirierte Illusionär auch die Architekten der Welt beeinflusste. Norman Foster gab offen zu, dass seine Londoner U-Bahn Station „Canary Wharf” von Ken Adams Supertanker in „Der Spion, der mich liebte“ beeinflusst war.
Hält die Ausstellung trotzdem was der Titel verspricht? Ist hier alles „Bigger than Life“? Man bekommt einen sehr guten und umfassenden Eindruck wie Ken Adam gearbeitet hat. Ich glaube ich habe ein wenig verstanden, worum es ihm ging. Er hat Räume erschaffen in denen sich der Charakter der Figur, die ihn bewohnt, genau spiegelt. Zum Beispiel dieses Geheimversteck von Blowfeld im Vulkan. Das ist wirklich ein raumgewordener Größenwahn – „Bigger than Life“. Nach der Ausstellung habe ich große Lust bekommen einen DVD-Abend zu machen und mir die alten James Bond Filme noch einmal anzuschauen, um vor allem auf Eines zu achten: Die Kulissen.
„Ken Adam-Bigger Than Life“ ist noch bis zum 17. Mai 2015 in der Deutschen Kinemathek am Potsdamer Platz Berlin zu sehen. Geöffnet ist Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr. Der Eintritt kostet 5 Euro.

Bilder und Text Büke Schwarz